Eurokalyptische Reiter
Der Chefredakteur der Wirtschaftswoche
Der Euro wird von der Politik mit allen Mitteln verteidigt – ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Realitäten. Das kann nicht gut gehen.
Wieder ein Euro-Gipfel der dröhnenden Parolen – und wieder ein Gipfel an den wirtschaftlichen Gesetzen vorbei. Die europäische Politik verdoppelt ihre Anstrengungen und verschärft damit die Probleme. Man fühlt sich an mittelalterliche Darstellungen der apokalyptischen Reiter erinnert – die europäische Politik hat das Zeug zur biblischen Plage.
Der erste Reiter der Apokalypse symbolisiert das Versagen der Politik: Der Euro ist so konstruiert, dass jedes Mitgliedsland unbegrenzt Schulden machen darf (dass der Maastricht-Vertrag das Gegenteil sagt, zeigt nur, wie unglaubwürdig Politik ist). Dafür werden Staatsschuldverschreibungen an Banken verkauft, die diese bei der Europäischen Zentralbank (EZB) einreichen, dafür billigen Kredit erhalten und weitere Staatsschuldverschreibungen ‧kaufen. Nachdem selbst den Gier-Banken dieser nie mehr rückzahlbare Schuldenberg zu gefährlich wurde, kauft nun die EZB die Staatsschuldtitel von Griechenland, Portugal, Italien und Spanien für bislang Hundert Milliarden. Das wirkt, als ob sie direkt Geld für die Schuldenschurkenstaaten druckt. Wer, wie Deutschland, langsamer Schulden macht, soll die Schulden der anderen finanzieren. Rettungsschirme verschleiern immer neue Schulden über die Gelddruckmaschine und die Umverteilung.
Der zweite Reiter der Apokalypse steht für die organisierte Unwirtschaftlichkeit und den Zerfall Europas. Wer die Löhne niedrig hält, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist der Dumme. Denn die Mittel dienen dazu, den Freizeitpark staatlicher Scheinbeschäftigung in Südeuropa zu finanzieren. Deshalb stagnieren die Löhne in Deutschland, auf deren Kosten der Wohlstand in Südeuropa wächst. Das sei ein Gebot der Solidarität, sagt die Politik. Einige fordern, dass deshalb eine europäische Wirtschaftsregierung korrigierend eingreift. In dieser Regierung hätten– wie im Direktorium der EZB – wiederum die Nehmer-Länder die Mehrheit. Damit aber wird sich nichts zum Guten ändern, es wird mit dem Namen der Wirtschaftsregierung nur die Euro-Verarmungsmaschine geschmiert. Wie lange lassen sich die Menschen in Deutschland, Finnland, Österreich und den Niederlanden das gefallen? Diese Politik zerstört die Idee vom vereinten Europa – eine schreckliche Vision.
Der dritte Reiter der Apokalypse steht für organisierte Verarmung. Mit Euro-Bonds soll Deutschland künftig für die hohen Staatsschulden der anderen garantieren und die Spekulation ausgeschaltet werden. Aber tatsächlich würde diese durch Euro-Bonds nur noch mehr angeheizt. Ängstliche Anleger werden die Frage stellen: Wie lange kann Deutschland die Schulden Italiens und Spaniens tragen? Damit geraten dann auch die Bundesschatzbriefe in den Abwärtssog. Vorsichtige Anleger‧werden sie verkaufen, denn: Egal, ob Deutschland nur für 50 oder 60 Prozent der italienischen Staatsschulden haftet – es übertrifft in jedem Fall die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Zunächst wird Wackelkandidat Frankreich sein Triple-A-Rating verlieren, und weil Deutschland dann auch für Frankreich haftet, schließlich auch Deutschland. Dann steigen die Zinsen und torpedieren die Investitionskraft de r deutschen Wirtschaft. Europa ist, wenn alle gleich arm sind? Sie arbeiten trotz gegenteiliger ‧Beteuerung an Euro-Bonds, indem sie das Märchen von der Wirtschaftsregierung erzählen.
Der vierte apokalyptische Reiter ist die Inflation. Die EZB baut sich gerade ein neues Hochhaus – die glänzende Fassade verbirgt, dass die EZB nach der Pfeife der Politik tanzt, jede Menge Geld für die Inflation von morgen druckt und als Gegenwert nur noch wertlose Staatsanleihen verwahrt. Die Menschen beginnen, vor dem Euro zu fliehen, der Dax stürzt ab, und wenn das Wirtschaftswachstum stagniert, sind auch unsere Schulden nicht mehr finanzierbar.
Ist das nur eine düstere Vision? Nein. Die politische Klasse verteidigt ihr Projekt Euro. Koste es, was es wolle. Für sie ist es immer noch billiger als sparen.
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